Zum Artikel: "YouTube-Video von der Baustelle"

FINANZTEST · 2022
Ein lächelnder Mann begrüßt die Zuschauer. „Sie wollen natürlich wissen, wie weit die Bauarbeiten sind. Dann gucken wir doch einfach mal.“ Von oben filmt eine Drohne. Der Mann wirkt nun winzig – und die Baustelle umso größer. Es passiert etwas. Das soll das Video wohl vermitteln, das im November 2021 bei Youtube hochgeladen wurde. Denn es richtet sich an Anleger. Hans Acksteiner, Geschäftsführer der Deutsche Edelfisch DEG GmbH & II Co KG, möchte in Mecklenburg-Vorpommern die größte Aquakultur-Kreislaufanlage für Zander Europas bauen. Dafür braucht er Geld.

700 Tonnen will er pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Europas größte Aquakulturanlage in Dänemark produziert 400 Tonnen pro Jahr. Branchenkenner sagen, die dänische Firma Aquapri habe viele Jahre gebraucht, um die Zucht in diese Dimension zu bringen. Der Grund: Zander können nicht allzu eng gehalten werden und sind sehr empfindlich. Für die Zucht von 700 Tonnen wären mindestens 900 000 Setzlinge nötig, die wegen ihres Kannibalismus in dieser Phase an Trockenfutter angepasst sein müssen. Jährlich an diese riesige Menge kostbarer Setzlinge zu kommen, erscheint den befragten Experten als Kunststück.

Acksteiners Vorhaben ist also ambitioniert und Zweifel angebracht. Tatsächlich entpuppt sich die Deutsche Edelfisch als Beispiel, wie wichtig es ist, dass Anlegerinnen und Anleger vor einem Investment genau hinsehen. Finanztest führt die Firma bereits seit 2020 auf der Warnliste Geldanlage, nachdem sie nicht ausreichend über die Risiken eines Genussrechts aufgeklärt hatte.

Die Deutsche Edelfisch setzt auf den Trend zu nachhaltigen Investments. Das kommt an. Jeden sechsten Euro, den deutsche Kunden 2021 in Fonds investieren, stecken sie bereits in nachhaltige Anlagen. Aquakultur sei die ökologisch saubere Antwort auf die weltweite Überfischung, heißt es bei der Firma. Zudem lassen sich die Tiere frei von Mikroplastik züchten.


Berichte entpuppen sich als Werbung
Der Zander gehört mit seinen weißen, fettarmen und grätenfreien Filets zu den teuersten Edelfischen. Die Lebensmittelproduktion sei der Sektor mit dem stärksten Wachs­tum weltweit, heißt es in einem Exposé. Und so klingt es vielleicht plausibel, wenn die Deutsche Edelfisch Renditen zwischen 5,5 bis über 10 Prozent für ihre Anleihen und Anteile verspricht. Acksteiner ködert seine Anleger damit bei Facebook. Hier schaltete er noch im März Werbevideos, in denen er mit einer Verkaufsmarge von 100 Prozent wirbt – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Produkte riskant und nur was für erfahrene Anleger seien. Auf der Facebookseite seiner Firma verweist er auf vermeintliche Erfolge: „Das Handelsblatt hat über unser Aquakultur-Projekt berichtet“. Ein Link ist mit dem Titelkopf der Zeitung zu sehen. „Droht dem Zander die Ausrottung?“, lautet die Überschrift. Im Text heißt es: „Das Berliner Start-up Deutsche Edelfisch baut eine besonders fortschrittliche und nachhaltige Zuchtanlage in Mecklenburg-Vorpommern, um den Zander vor dem Aussterben zu retten.“ Acksteiner verlinkt auch auf Geschichten bei Focus.de und bei Stern.de. Die Medien scheinen sich für seine Firma zu interessieren. Artikel in bekannten Publikationen sind die beste Werbung. Doch was er Anlegenden als Berichte verkauft, erweist sich als bezahlte Werbung. So genannte Advertorials – eine Wortschöpfung aus “Ad” (Werbung) und “Editorial” (Leitartikel). Diese Werbeform ist so gestaltet, dass sie Artikeln täuschend ähnelt. Finanztest befragte die betroffenen Medien. Sie betonen, Leser könnten an der Kennzeichnung erkennen, dass es sich um Werbung handelt. Acksteiner teilte mit, ihm ginge es um Auffindbarkeit im Netz – zudem: „Das Handelsblatt hat doch über uns geschrieben, oder?“


Angebliche Förderung existiert nicht
Ähnlich salopp verschickte er noch Ende Februar Informationen an Kunden, die nach seinen Anleihen fragten mit dem Vermerk: „Gefördert durch das Land und die EU“. In der Broschüre heißt es: “Nach Fertigstellung der Kreis­lauf­anlage werden vom Land Mecklenburg-Vorpommern und der EU aus Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds Fördergelder in Höhe von 3 380 000 Euro ausgezahlt.“
Was sicher und seriös klingt, entpuppt sich als gewagt. Dem Ministerium liegt zwar ein Förderantrag vor, doch bislang befinde man sich in der Prüfphase und es fehlten noch Unterlagen, teilte das Ministerium auf Finanztest-Anfrage mit. Vielleicht fließen Gelder, doch sicher ist das keineswegs. Auf einer seiner Internet­seiten behauptete Acksteiner schon vor einem Jahr: „Das Fördergeld liegt beim Land Mecklenburg-Vorpommern und wird in diesem Jahr zugeteilt.” Das Ministerium dementiert. Und in einem älteren Exposé der Firma steht: “Nach der erfolgreichen Projektierung der ersten Anlage in Norddeutschland soll hier bereits das zweite Projekt entstehen.” Doch bislang ist überhaupt keine Anlage realisiert.


Großkunden dementieren Zusammenarbeit
Auf die Deutsche Edelfisch sollte man sich auch nicht verlassen, wenn es um den Verkauf der gigantischen Fischmengen geht. “Unser Hauptabnehmer ist die Deutsche See, die uns zugesichert hat, hier mindestens 50 Prozent abzunehmen”, heißt es in dem Film, der zuletzt im März bei Facebook geschaltet wurde. “Tatsächlich würde die Deutsche See auch 100 Prozent übernehmen” – doch man wolle sich nicht von einem Abnehmer abhängig machen. Einge­blendet werden dabei die 700 Tonnen, die angeblich künftig pro Jahr produziert werden. Auf Nachfrage teilt der Marktführer Deutsche See mit: “Wir unterhalten keine Geschäftsbeziehungen zu diesem Unternehmen und planen dies auch nicht.”


Viel Geld für Werbung
Weitere Fragen wirft der Blick in die Bilanzen auf. Bislang finanzieren die Anleger die Gesellschaft. Gegründet wurde die Firma bereits 2017. Die Deutsche Edelfisch weist bisher nur Verluste aus. Und was passiert mit dem Geld der Anleger? Die “Hauptgeschäftstätigkeit der Gesellschaft” bestand laut Jahresbericht 2019 darin, an weitere Geldgeber zu kommen. Aufgezählt sind Vertrieb, Provisionszahlung sowie Werbung und rechtliche Beratung. “Die ursprünglich für das Jahr 2020 geplante Produktion von schlachtreifen Fischen wird sich erst im Jahr 2021 realisieren lassen”, steht unter Risiken. Doch auch daraus wurde nichts. Und Anfang 2022 existiert lediglich eine Baustelle.

Eigentlich müsste die Bilanz für 2020 veröffentlicht sein. Acksteiner legte Finanztest zumindest die noch nicht veröffentlichte Bilanz vor. Die großen Kosten fallen für Adressdaten potenzieller Anleger, Vertrieb, Provisionen und Beratung an: Zusammen rund 350 000 Euro. Für Grundstücke und Bauten hingegen sind nur 32 000 Euro verbucht.

Anleger sollten sich nie auf Versprechen verlassen, die sie nicht überprüft haben. Mit der Bafin hatte Acksteiner bereits mehrfach Ärger. Deswegen bot er seine neuen Anleihen auch nur 149 Personen an. Damit vermied er die sonst geforderte Prospektpflicht. Und während er noch Ende Februar Werbebroschüren für seine Anleihen verschickte, teilte er Finanztest Anfang März plötzlich mit, “dass wir diese ab sofort nicht mehr aktiv anbieten.” Doch auch danach waren zumindest noch Werbeanzeigen bei Facebook geschaltet. Und nur einen Tag nach Acksteiners Mitteilung ließen sich zwei neue Kommanditisten ins Handelsregister eintragen, die zusammen 150 000 Euro in Anteile investierten. Finanztest warnte bereits vor der Deutsche Edelfisch – und stellt sie nun erneut auf die Warnliste.


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FINANZTIP · 2022
Ein lächelnder Mann begrüßt die Zuschauer. „Sie wollen natürlich wissen, wie weit die Bauarbeiten sind. Dann gucken wir doch einfach mal.“ Von oben filmt eine Drohne. Der Mann wirkt nun winzig – und die Baustelle umso größer. Es passiert etwas. Das soll das Video wohl vermitteln, das im November 2021 bei Youtube hochgeladen wurde. Denn es richtet sich an Anleger. Hans Acksteiner, Geschäftsführer der Deutsche Edelfisch DEG GmbH & II Co KG, möchte in Mecklenburg-Vorpommern die größte Aquakultur-Kreislaufanlage für Zander Europas bauen. Dafür braucht er Geld.

700 Tonnen will er pro Jahr produzieren. Zum Vergleich: Europas größte Aquakulturanlage in Dänemark produziert 400 Tonnen pro Jahr. Branchenkenner sagen, die dänische Firma Aquapri habe viele Jahre gebraucht, um die Zucht in diese Dimension zu bringen. Der Grund: Zander können nicht allzu eng gehalten werden und sind sehr empfindlich. Für die Zucht von 700 Tonnen wären mindestens 900 000 Setzlinge nötig, die wegen ihres Kannibalismus in dieser Phase an Trockenfutter angepasst sein müssen. Jährlich an diese riesige Menge kostbarer Setzlinge zu kommen, erscheint den befragten Experten als Kunststück.

Acksteiners Vorhaben ist also ambitioniert und Zweifel angebracht. Tatsächlich entpuppt sich die Deutsche Edelfisch als Beispiel, wie wichtig es ist, dass Anlegerinnen und Anleger vor einem Investment genau hinsehen. Finanztest führt die Firma bereits seit 2020 auf der Warnliste Geldanlage, nachdem sie nicht ausreichend über die Risiken eines Genussrechts aufgeklärt hatte.

Die Deutsche Edelfisch setzt auf den Trend zu nachhaltigen Investments. Das kommt an. Jeden sechsten Euro, den deutsche Kunden 2021 in Fonds investieren, stecken sie bereits in nachhaltige Anlagen. Aquakultur sei die ökologisch saubere Antwort auf die weltweite Überfischung, heißt es bei der Firma. Zudem lassen sich die Tiere frei von Mikroplastik züchten.


Berichte entpuppen sich als Werbung
Der Zander gehört mit seinen weißen, fettarmen und grätenfreien Filets zu den teuersten Edelfischen. Die Lebensmittelproduktion sei der Sektor mit dem stärksten Wachs­tum weltweit, heißt es in einem Exposé. Und so klingt es vielleicht plausibel, wenn die Deutsche Edelfisch Renditen zwischen 5,5 bis über 10 Prozent für ihre Anleihen und Anteile verspricht. Acksteiner ködert seine Anleger damit bei Facebook. Hier schaltete er noch im März Werbevideos, in denen er mit einer Verkaufsmarge von 100 Prozent wirbt – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Produkte riskant und nur was für erfahrene Anleger seien. Auf der Facebookseite seiner Firma verweist er auf vermeintliche Erfolge: „Das Handelsblatt hat über unser Aquakultur-Projekt berichtet“. Ein Link ist mit dem Titelkopf der Zeitung zu sehen. „Droht dem Zander die Ausrottung?“, lautet die Überschrift. Im Text heißt es: „Das Berliner Start-up Deutsche Edelfisch baut eine besonders fortschrittliche und nachhaltige Zuchtanlage in Mecklenburg-Vorpommern, um den Zander vor dem Aussterben zu retten.“ Acksteiner verlinkt auch auf Geschichten bei Focus.de und bei Stern.de. Die Medien scheinen sich für seine Firma zu interessieren. Artikel in bekannten Publikationen sind die beste Werbung. Doch was er Anlegenden als Berichte verkauft, erweist sich als bezahlte Werbung. So genannte Advertorials – eine Wortschöpfung aus “Ad” (Werbung) und “Editorial” (Leitartikel). Diese Werbeform ist so gestaltet, dass sie Artikeln täuschend ähnelt. Finanztest befragte die betroffenen Medien. Sie betonen, Leser könnten an der Kennzeichnung erkennen, dass es sich um Werbung handelt. Acksteiner teilte mit, ihm ginge es um Auffindbarkeit im Netz – zudem: „Das Handelsblatt hat doch über uns geschrieben, oder?“


Angebliche Förderung existiert nicht
Ähnlich salopp verschickte er noch Ende Februar Informationen an Kunden, die nach seinen Anleihen fragten mit dem Vermerk: „Gefördert durch das Land und die EU“. In der Broschüre heißt es: “Nach Fertigstellung der Kreis­lauf­anlage werden vom Land Mecklenburg-Vorpommern und der EU aus Mitteln des Europäischen Meeres- und Fischereifonds Fördergelder in Höhe von 3 380 000 Euro ausgezahlt.“
Was sicher und seriös klingt, entpuppt sich als gewagt. Dem Ministerium liegt zwar ein Förderantrag vor, doch bislang befinde man sich in der Prüfphase und es fehlten noch Unterlagen, teilte das Ministerium auf Finanztest-Anfrage mit. Vielleicht fließen Gelder, doch sicher ist das keineswegs. Auf einer seiner Internet­seiten behauptete Acksteiner schon vor einem Jahr: „Das Fördergeld liegt beim Land Mecklenburg-Vorpommern und wird in diesem Jahr zugeteilt.” Das Ministerium dementiert. Und in einem älteren Exposé der Firma steht: “Nach der erfolgreichen Projektierung der ersten Anlage in Norddeutschland soll hier bereits das zweite Projekt entstehen.” Doch bislang ist überhaupt keine Anlage realisiert.


Großkunden dementieren Zusammenarbeit
Auf die Deutsche Edelfisch sollte man sich auch nicht verlassen, wenn es um den Verkauf der gigantischen Fischmengen geht. “Unser Hauptabnehmer ist die Deutsche See, die uns zugesichert hat, hier mindestens 50 Prozent abzunehmen”, heißt es in dem Film, der zuletzt im März bei Facebook geschaltet wurde. “Tatsächlich würde die Deutsche See auch 100 Prozent übernehmen” – doch man wolle sich nicht von einem Abnehmer abhängig machen. Einge­blendet werden dabei die 700 Tonnen, die angeblich künftig pro Jahr produziert werden. Auf Nachfrage teilt der Marktführer Deutsche See mit: “Wir unterhalten keine Geschäftsbeziehungen zu diesem Unternehmen und planen dies auch nicht.”


Viel Geld für Werbung
Weitere Fragen wirft der Blick in die Bilanzen auf. Bislang finanzieren die Anleger die Gesellschaft. Gegründet wurde die Firma bereits 2017. Die Deutsche Edelfisch weist bisher nur Verluste aus. Und was passiert mit dem Geld der Anleger? Die “Hauptgeschäftstätigkeit der Gesellschaft” bestand laut Jahresbericht 2019 darin, an weitere Geldgeber zu kommen. Aufgezählt sind Vertrieb, Provisionszahlung sowie Werbung und rechtliche Beratung. “Die ursprünglich für das Jahr 2020 geplante Produktion von schlachtreifen Fischen wird sich erst im Jahr 2021 realisieren lassen”, steht unter Risiken. Doch auch daraus wurde nichts. Und Anfang 2022 existiert lediglich eine Baustelle.

Eigentlich müsste die Bilanz für 2020 veröffentlicht sein. Acksteiner legte Finanztest zumindest die noch nicht veröffentlichte Bilanz vor. Die großen Kosten fallen für Adressdaten potenzieller Anleger, Vertrieb, Provisionen und Beratung an: Zusammen rund 350 000 Euro. Für Grundstücke und Bauten hingegen sind nur 32 000 Euro verbucht.

Anleger sollten sich nie auf Versprechen verlassen, die sie nicht überprüft haben. Mit der Bafin hatte Acksteiner bereits mehrfach Ärger. Deswegen bot er seine neuen Anleihen auch nur 149 Personen an. Damit vermied er die sonst geforderte Prospektpflicht. Und während er noch Ende Februar Werbebroschüren für seine Anleihen verschickte, teilte er Finanztest Anfang März plötzlich mit, “dass wir diese ab sofort nicht mehr aktiv anbieten.” Doch auch danach waren zumindest noch Werbeanzeigen bei Facebook geschaltet. Und nur einen Tag nach Acksteiners Mitteilung ließen sich zwei neue Kommanditisten ins Handelsregister eintragen, die zusammen 150 000 Euro in Anteile investierten. Finanztest warnte bereits vor der Deutsche Edelfisch – und stellt sie nun erneut auf die Warnliste.